Geschichten liegen sozusagen auf der Straße




Eure eigenen Geschichten!

Geschichten liegen sozusagen auf der Straße

Beitragvon Jingle » 8. März 2010 15:05

Geschichten liegen sozusagen auf der Straße

Geschichten liegen sozusagen auf der Straße, so heißt es doch zumindest. Aber das Einzige was hier auf der Asphaltdecke liegt, ist widerwärtiger, weißer Schnee. Ich mag ihn nicht - besonders in solchen Mengen - aber heute ist es gut, dass er da ist. So bekomme ich wenigstens noch ein wenig Aufschub, ein bisschen mehr Zeit, mir Erklärungen zurecht zu legen. Wobei, ein wenig sauer bin ich schon auf ihn, da ich ja dennoch früh aufgestanden bin und auch jetzt nicht so richtig weiß, was ich machen soll.

Tja, diese Zeilen sind doch recht sinnlos, ob sie überhaupt jemand lesen wird? Vermutlich werde ich das Dokument eh nicht speichern und da kann ich mir diese Frage auch gleich schenken. Am besten ich lösche diesen letzten Satz mit "ich bin dennoch früh aufgestanden" und fahre damit fort darüber zu sinnieren wie leicht, wie überaus simpel es doch ist, eine Geschichte zu Papier zu bringen.
Und da bin ich auch schon an einen Punkt angekommen an dem ich nicht weiter weiß. So ein Mist!

Lange starre ich den Bildschirm meines Computers an. In dieser Zeit gehen mir so einige Gedanken durch den Kopf, aber nichts davon schreibe ich auf. Entweder sind die Gedanken zu flüchtig oder ich will erst gar nicht, dass sie überhaupt jemand lesen könnte.
Eventuell sollte ich rausgehen und nachsehen, ob da nicht doch mehr auf der Straße liegt, als bloß Schnee. Vielleicht finde ich ja doch meine Geschichte, kann sie dann anschließend abtippen und hätte dann auch gleich etwas, womit ich meine Eltern ablenken könnte. Ich würde dann am kommenden Montag einfach sagen, dass ich die Geschichte im Unterricht geschrieben, sie vor der Klasse vorgelesen habe und sie allen gefallen hat. Meine Lehrerin würde dann sogar gesagt haben, ich hätte Talent.
Okay, das letzte würde ich nicht sagen, dann wäre die Lüge zu groß. Sie könnte dann zu leicht auffliegen und ich könnte dadurch zusätzlich Ärger zu meinem schlechten Zeugnis bekommen.
Wenigstens wäre die Situation entspannter, nachdem ich meine Geschichte zum Besten gegeben hätte. Dann wäre es mit Sicherheit auch ganz leicht zu zugeben, dass meine Noten diesmal nicht ganz so gut waren. Ganz bestimmt.

Vor meinem geistigen Auge flackerte ein "Versetzung gefährdet" auf und mir lief es kalt den Rücken runter. Bloß nicht daran denken! - Das ist kein Beinbruch, es gibt wesentlich schlimmeres als das. Trotzdem, niemand geht gerne zu seinen Eltern und sagt denen das dann auch noch. Vor allem, weil sie einen dann anschreien werden, warum man denn so schlecht sei. Als ob einem Eltern das dann auch noch unter die Nase reiben müssten, war das Zeugnis allein schon nicht Strafe genug?

"Dokument 'Unbenannt1' wurde geändert. Sollen die Änderungen gespeichert werden?" - Ich klickte auf "Nein". Beim herunterfahren gab der PC noch ein paar leichte surrende Geräusche von sich.
"Sie können jetzt den Computer ausschalten.", stand auf dem Bildschirm. Ich folgte der Anweisung. Anschließend machte ich noch den Monitor aus und stand von meinem Schreibtisch auf.

Wenigstens war heute Schneefrei und das am eigentlich Ausgabetag der Zeugnisse! Das müsste mich doch wenigstens halbwegs fröhlich stimmen, da so das Wochenende nicht allzu stressig werden würde, oder etwa nicht?
Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke hoch und setzte meine Mütze auf. "Na, dann komm mal her du Geschichte, du!", sagte ich und schloss die Haustür hinter mir ab.
Mein schlechtes Zeugnis würde am Ende allerdings so oder so rauskommen. Vielleicht sollte ich doch besser gleich noch vor Montag "auspacken" und die Wahrheit sagen. Vielleicht würden meine Eltern dann nicht allzu wütend werden. Oder ich würde am Montag einfach krank sein. Mal schauen.
Aber jetzt wollte ich ersteinmal meine Geschichte finden, ging hinaus in den Schnee und war guter Dinge, dass mir schon noch etwas einfallen würde, mir war schließlich immer noch etwas eingefallen.
"Man kann niemanden überholen, wenn man in seine Fußstapfen tritt."
~Francois Truffaut
Jingle
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von Anzeige » 8. März 2010 15:05

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